Publiziert am: 27.03.2023 | Kategorie(n): Allgemein, Blog Schreiben im Beruf | Verschlagwortet mit: Argumentation, Objektivität
Nicht selten verwechseln Schreibende den Schwierigkeitsgrad der Textverständlichkeit mit Objektivität.
Solche Autorinnen und Autoren bedienen sich eines vermeintlich objektiven Stils, indem sie:
- Fachvokabular/Branchenjargon verwenden, ohne es zu erklären
- passivische Satzkonstruktionen bilden, ohne Verantwortliche/Handelnde zu nennen
- abstrakte Formulierungen für komplizierte Sachverhalte wählen, statt konkrete Fallbeispielen zu nennen
- die Abstraktionsebene eines Textes deutlich anheben, indem sie für viele Beschreibungen eine substantivierte Formulierung wählen, anstatt aussagekräftige Verben zu benutzen, die die spontane Leseverständlichkeit erheblich fördern
- möglichst viele Informationen in einem einzigen Satz unterbringen
- sehr lange, nicht selten auch verschachtelte Sätze bilden, die sich über mehrere Zeilen erstrecken
Aber: Den Eindruck von Objektivität erreichen Schreibende nicht durch einen bestimmten Schreibstil. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!
Tatsache ist, dass es sehr anspruchsvoll ist, einen komplizierten Sachverhalt einfach und verständlich darzustellen.
Wer das kann, hat anderen Expertinnen und Experten seines Fachgebietes in der Regel etwas Wertvolles voraus: Sie oder er kann auch „Halbexperten“ oder fachfremde Leserinnen von seiner Sache überzeugen.
Denn genau darauf kommt es bei Texten an, die überzeugen wollen:
- Verständnis für die eigene Sache wecken > Lesereaktion: „Aha, darum geht es hier!“
- Die eigene Darstellung des Sachverhalts glaubwürdig belegen > Lesereaktion: „Ja, das leuchtet mir ein.“
- Leserinnen und Leser dadurch von der eigenen Sache überzeugen > Lesereaktion: „Stimmt genau. So ist es. / So sollte es sein. / So sollte entschieden werden.“ etc.
Zu 1.: „Verständnis für die eigene Sache wecken“
Hier geht es darum, den Sachverhalt für die Leserschaft so verständlich wie möglich darzustellen.
- Umsetzen lässt sich dieses Ziel durch die Anwendung sprachlicher Verständlichkeitskriterien
Zu 2.: „Die eigene Darstellung des Sachverhalts glaubwürdig belegen“
Hier geht es darum, stichhaltige Argumente zu liefern, die die Zielgruppe von der Glaubwürdigkeit des beschriebenen Sachverhalts bzw. der Notwendigkeit einer geplanten Maßnahme etc. überzeugen.
Argumente, die überzeugen sind:
- Belegbare Daten und Fakten
- Stellungnahmen ausgewiesener Expertinnen/Experten/namhafter Institutionen auf dem Gebiet des betreffenden Sachverhalts
- Eigene Erfahrungen oder Erfahrungen Betroffener/Sachverständiger
- Bestehende Kontakte zu anerkannten Einrichtungen
- Nachgewiesene Erfolge, die bei vergleichbaren Projekten erzielt wurden
- Wissenschaftliche Quellen
An dieser Stelle kommt es darauf an, die Antworten auf eventuelle Fragen der Zielgruppe vorwegzunehmen. Auf diese Weise vermitteln Sie ihr das Gefühl, dass Sie ihr auf Augenhöhe begegnen und ihre Urteilsfähigkeit würdigen und respektieren.
Dieser Respekt zahlt sich aus. Denn nur wer ernst genommen wird, wird auch Sie ernst nehmen!
Zu 3.: „Leserinnen und Leser dadurch von der eigenen Sache überzeugen“
Zustimmung oder Anerkennung durch die Leserschaft setzt eine stichhaltige Argumentation voraus.
Wer Zustimmung einfordert, ohne sachliche Begründungen zu liefern, weckt bei Leserinnen und Lesern Misstrauen und provoziert Widerstand und Ablehnung (z. B. „Die Leistung xy soll um … erweitert werden. Das ist für den Projekterfolg unbedingt notwendig.“ > Spontane Lesereaktion: „Warum?“)
Eine Identifikation der Leserin bzw. des Lesers mit dem Votum/Vorschlag der Autorin bzw. des Autors gelingt nur, wenn letztere Verantwortung für eigene Behauptungen/Schilderungen übernehmen und sie überzeugend begründen.
Den eigenen Standpunkt sollten Autorinnen und Autoren deshalb immer mit Bezug zu den genannten Argumenten vorbringen. Zum Beispiel:
- „Aus den genannten Gründen sind alle Maßnahmen notwendig und angemessen.“
- „Wie unter Punkt 4) dargelegt, ist Maßnahme xy für den Projekterfolg unbedingt notwendig.“
Argumentationsmuster: behaupten/darstellen > begründen > überzeugen